Bilder einer entzauberten Welt.
Ich sehe meine Aufgabe als Malerin nicht im Behübschen der Welt, sondern darin, den Menschen mit der Wahrheit zu konfrontieren, vor allem mit jenen Themen unserer Welt, die keinen adäquaten Platz in unserem Weltbild haben, Themen, die man gerne verdrängt, weil es weh tut, hinzusehen.
Dort wo Ecken und Kanten sind, male ich sie, ohne sie zu kaschieren. Wo Schmerz ist, male ich ihn, mit einem Strich, der nicht zögert oder verwischt, sondern als entschiedener Akt der Farb- und Formsetzung.
Meine Bilder sind stets eine Art Innenschau, mit Blick auf meine eigenen Fragen, Gedanken und Gefühle in Verbindung mit unserer Welt.
Gleichzeitig möchte ich mit meinen Bildern Menschen berühren und sie dazu bewegen, die eigenen Gefühle, die meine Bilder beim Betrachten auslösen, zuzulassen. In der Serie „Children of the Universe“ halten uns Kinder als Identifikationsfiguren einen Spiegel vor, der uns mit unseren eigenen Ängsten und Gedanken konfrontiert. In allen Bildern dieser Serie liegt ein Hauch von Traurigkeit, Angst oder Ambivalenz über den süßen Kindergesichtern. Das stört den Blick der betrachtenden Person, ihre Sehnsucht nach der heilen Welt. Dabei geht es mir nie um die Schuldfrage, sondern um das Wagnis, ungeschminkt einen Blick in den Spiegel zu werfen, sich selbst wieder zu spüren, zu fühlen, was einen bewegt, Schmerz zu empfinden, wenn etwas
weh tut.
Derzeit arbeite ich an der neuen Serie „Sternenkinder“. Verheiratet mit einem Pränatalmediziner bin ich immer wieder mit dem Thema Sternenkinder und den persönlichen Geschichten dahinter konfrontiert. Eine mich persönlich sehr bewegende Geschichte einer jungen Frau, die ihr totes Kind im Rettungswagen zur Welt brachte, bestärkte mich, die Serie „Sternenkinder“ zu malen. „Die Sanitäterin warf mein totes Kind in einen verschmutzten Müllsack“, erzählte sie. In diesem Moment spürte ich eine unbeschreiblich tiefe Trauer. Immer wenn ich spüre, dass etwas in mir an die Oberfläche drängt, um befreit zu werden, male ich es.
Thema der Bilder dieser Serie ist also Schmerz, Abschied, Trauer, aber auch Versöhnung mit dem eigenen Schicksal, und letztlich mit sich selbst.
Jedes Sternenkind hat einen Namen, es verstarb kurz vor oder nach der Geburt. In Gedenken an diese Kinder entstand die neue Serie „Sternenkinder“, so nah am Leben, so tief im Sein. Die künstlerische Bearbeitung eines Themas eröffnet mir immer neue Gedanken und Wege, emotional mit dem Thema umzugehen, aber auch auf gestalterischer Ebene entwickeln sich im Prozess neue Bildideen, die eine neue künstlerische Umsetzung in Gang setzen. Jedes Bild bedeutet für mich eine neue Herausforderung mit neuen Erfahrungen, Gedanken und Ideen, weil ich selbst nie dieselbe bleiben kann und will. So entwickeln sich meine Arbeiten durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit mir, der Welt und meiner Kunst als „Art in Progress“ prozesshaft weiter.
Aktuell habe ich durch die Auseinandersetzung mit den „Sternenkindern“ Interesse an anatomischen Darstellungen gefunden und diese in abstrahierter, eigenständiger Form in meinen Bildern eingearbeitet. Wie bereits in früheren Bildern stelle ich nach wie vor in meinen Arbeiten Malerei und Grafik gegenüber, um die Spannung im Bild zu steigern. Neu ist die zweiteilige Anordnung der Bilder in Form eines Diptychons.
Was mich besonders an dem Diptychon fasziniert, ist der Balanceakt zwischen Trennen und Zusammenfügen, sowohl auf inhaltlicher als auch auf gestalterischer Ebene. Zwei für sich stehende, autarke Bilder widmen sich dem verbindenden Thema aus einer völlig unterschiedlichen Perspektive. Mit dieser Serie habe ich das Diptychon als große neue Herausforderung entdeckt, die ich auch in Hinkunft bei anderen Themen aufgreifen möchte.
Regina Altmann, 2023